Brief von Herrn Kroemer

Liebe Schüler und Lehrer des Schillergymnasiums

Zum 150-jährigen Jubiläum unserer geliebten Schule auch meine allerherzlichsten Glückwünsche aus dem fernen Kalifornien.
Für mich sind es schon 59 Jahre seit meinem Abitur im Jahre 1947, und 67 Jahre seit meinem Eintritt in die damalige Schiller-Oberschule im Jahre 1939. Jene acht Jahre gehören zu den schlimmsten Jahren der neueren deutschen Geschichte, aber irgendwie war unsere Schule ein heller Lichtpunkt während der ganzen Zeit, an den ich bis heute gern zurückdenke, mit fast nur positiven Erinnerungen.
Es war hier — schon vor 1945 — dass ich mein Interesse zuerst an Mathematik entdeckte, unter dem Einfluss eines ausgezeichneten Mathelehrers, der es verstand, das Thema interessant zu machen. Nach dem Kriege kamen dann die Physik und Chemie dazu, wiederum stark beeinflusst von guten Lehrern gerade auf diesen Gebieten. Ich denke da besonders an Herrn Wimmer in Mathe und Physik, und an Frau Dr. Richter in Chemie. Sie war auch unsere Klassenlehrerin, und rein menschlich bleibt sie unvergessen. Weitere Anregungen waren Diskussionen mit Mitschülern, die meine Interes-sen teilten, besonders Klaus Meyer, der andere zukünftige Physiker in unserer Klasse.
Am Ende gewann die Physik über den Rest, mit einem ein-deutigen Hang zur theoreti-schen Seite der Physik. Das führte zum Physikstudium, zuerst in Jena, dann in Göttingen, wo ich bereits kurz vor meinem 24-ten Geburtstag im Jahre 1952 mit einer theoretischen Dissertation zu einem Halbleiterthema promovierte. Die ganz ausgezeichnete Vorbildung die ich in Weimar erhalten hatte, spielte eine Rolle bei diesem Tempo: Ich konnte vieles überspringen.
An eine Universitätskarriere war 1952 nicht zu denken. Dank meiner Doktorarbeit landete ich im Fernmelde-technischen Zentralamt in Darmstadt, wo sie einen Halbleiter-Theoretiker brauchten — und ich war wohl der einzige Kandidat.
Im Jahre 1954 ging ich in die USA, und zwar zur Industrie. Es waren meine Arbeiten in der Industrie in den 50-er und 60-er Jahren, die zum Physik-Nobelpreis im Jahre 2000 führten. Nach einigem Hin und Her wechselte ich endlich im Jahre 1968 zu einer Universitätskarriere, seit 1976 an der University of California in Santa Barbara.
Am Ende einer schönen Karriere denkt man oft gern an das, was am Anfang zu dieser Karriere beigetragen hat, und hier spielen die Jahre an der Schillerschule eine Schlüsselrolle. Das 150-jährige Jubiläum gibt mir eine wunderbare Gelegenheit, dafür meinen Dank auszusprechen.

Signatur
Herbert Kroemer

Artikel als PDF herunterladen